Das Thema 2014

MACHT SPRACHE ANERKENNUNG

Der Trägerkreis „WIR in Wiesbaden“ konnte in den vergangenen Jahren über 10.000 Menschen für die vielfältigen Veranstaltungen seiner thematischen Reihen begeistern. Damit konnten die Veranstaltungsreihen wertvolle Akzente setzen, die Wiesbaden immer mehr zu einer Stadt der gelebten Vielfalt werden lassen. „WIR in Wiesbaden“ hat Kontinuität!

Das Wort „Vielfalt“ und das oft beschworene WIR fallen immer häufiger bei Diskussionen in der Stadt. „Diskriminierung“ und „Anerkennung“ sind ebenfalls Begriffe, die in Wiesbaden Gehör finden. Wir möchten auch in diesem Jahr wieder einen Beitrag dazu leisten, dass diese Themen in unserer Stadt offen angesprochen und kritisch diskutiert werden. Der Trägerkreis „WIR in Wiesbaden“ widmet sich mit MACHT SPRACHE ANERKENNUNG dem Thema „Sprache und Diskriminierung“.

Sprache ist ein wirkmächtiges Kommunikationsinstrument. Durch Sprache kommen Gefühle, Einstellungen und Meinungen zum Ausdruck. Sprache strukturiert unser Denken. Doch obwohl wir in einer vermeintlich aufgeklärten und toleranten Gesellschaft leben, finden sich in unserem Sprachgebrauch nicht selten rassistische und andere menschenfeindliche Äußerungen wieder.

Sprache ist ein Spiegel unserer Zeit und der Gesellschaft, in der wir leben. So wird zum Beispiel der Begriff „political correctness“, der aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung heraus entstand und mit dem versucht wurde, diskriminierende Äußerungen gegen Minderheiten aufzudecken und aus dem Sprachschatz zu tilgen, heute gerne mit Begriffen wie „Tugendpolizei“ oder „Gutmenschentum“ assoziiert. Das positive Erbe der „political correctness“ hat sich so vielerorts ins Negative verkehrt.

Aktuelle Diskussionen über rassistische Sprachbilder in (Kinder-)Büchern, antisemitische Äußerungen auf Demonstrationen und der Diskurs über „Willkommenskultur“ verdeutlichen, wie wesentlich die Beschäftigung mit ANERKENNUNG, MACHT und SPRACHE ist.

„Kindermörder Israel!“ war ein Ruf, der propalästinensische Demonstrationen den Sommer über in Deutschland begleitet hat − auch in Wiesbaden. Eine simple Konstruktion, die an das christlicher Tradition entstammende antijüdische Bild der Kinderblut trinkenden, (andersgläubige) Kinder mordenden Juden anknüpft. Strafrechtlich sei dies nicht relevant, versicherte die Polizei. Der Ruf reproduziert aber immer wieder antisemitische Bilder, die sich in Europa und anderswo seit Jahrhunderten halten. Wir möchten, dass sich sowohl DemonstrantInnen als auch andere gesellschaftliche Akteure dazu positionieren und sich fragen: „Ist das Eintreten für die eigenen Belange nur durch die Abwertung anderer möglich?“

Das Beispiel der „Willkommenskultur“ ist sprachlich ausgefeilter. Wer willkommen heißen möchte, der muss zunächst anerkennen. In dieser politischen Vokabel taucht die Anerkennung jedoch nur dann auf, wenn sie nützlich ist. Willkommen ist, wer qualifiziert und sprachmächtig ist und zum Bruttosozialprodukt beiträgt (vgl. „WIR in Wiesbaden − MEHR WERT SCHÄTZEN“, 2013). Dass Teilen der Bevölkerung in Deutschland auf diese Weise die Anerkennung verweigert wird, ist die Kehrseite der „Willkommenskultur“. Wir möchten in diesem Jahr stärker als bisher auf diverse Formen der strukturellen Diskriminierung und auf die Notwendigkeit des Schutzes von Minderheiten hinweisen.

Diskriminierung erfährt in Gesellschaften immer dann eine Verschärfung, wenn diese in Krisen geraten. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Ungleichheit zwischen den Menschen zunimmt. Rassismus ist dann besonders stark, wenn er sich mit anderen Vorurteilen und Stereotypen verbindet, wie zum Beispiel Islamfeindlichkeit, Antisemitismus, Antiziganismus, aber auch mit der Abwertung von Menschen eines bestimmten Geschlechts, aufgrund sexueller Orientierung, von Menschen ohne Arbeit oder von Menschen mit Behinderung. Dabei sind Rassismus und andere menschenfeindliche Einstellungen in der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ ebenfalls weit verbreitet. Das haben verschiedene Studien der vergangenen Jahre deutlich gemacht.

„WIR in Wiesbaden − MACHT SPRACHE ANERKENNUNG“ möchte diese Themen betrachten, aufgreifen und diskutieren, denn nur wenn offen gefragt wird, wie Rassismus und Menschenfeindlichkeit unser Zusammenleben verändern, haben diese weniger Chancen, sich im Alltag zu verstecken.

„WIR in Wiesbaden − MACHT SPRACHE ANERKENNUNG“ fragt danach, welchen Beitrag wir dazu leisten können, abwertende Sprachbilder zu entdecken, sie zu entlarven und umzudeuten. Wer ist mächtig, in welchen Situationen Anerkennung auszusprechen oder zu verweigern?
Wo passiert uns das selbst im Alltag?

In 41 vielfältigen Veranstaltungen gibt es Möglichkeiten, sich mit den oben beschriebenen Themen auseinanderzusetzen, die eigene Haltung zu hinterfragen und sich neu zu positionieren.
Dazu laden im Namen des Trägerkreises „WIR in Wiesbaden“ herzlich ein:
Gabi Reiter, Christoph Rath, Hendrik Harteman und Michael Weinand
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